Das Video, das von einer durch die Situation traumatisierten Schwarzen jungen Frau am 25.Mai 2020 in Minneapolis gefilmt wurde, zeigt einen Schwarzen Mann, dessen Nacken von dem Knie eines US-amerikanischen weißen Polizisten auf die Straße gedrückt wird. Polizeigewalt ist kein Einzelfall, immer wieder werden People of Color, überproportional Schwarze Menschen, Opfer rassistisch motivierter Taten. Die brutale Ermordung George Floyds hat große Demonstrationen veranlasst, die darauf aufmerksam machen, dass Rassismus in gesellschaftlichen Strukturen, wie bei der ausführenden Gewalt der Polizei, verankert ist. Wer mit dem Zeigefinger auf die USA zeigt, hat die Situation in Deutschland auch einzubeziehen.
„Wir sind rassistisch sozialisiert worden. Wie bereits viele Generationen vor uns. Es ist nicht leicht, diese soziale Brille abzunehmen und eine rassismuskritische Sichtweise zu entwickeln. Aber: Es ist nicht unmöglich,“ meint Antirassismustrainerin Tupoka Ogette. Wer nicht ihre*seine weißen Privilegien reflektiert, erhält ein rassistisches System aufrecht und deshalb ist es so wichtig, sich nicht nur anti-rassistisch zu zeigen, sondern anzuerkennen, dass wir uns für einen rassismuskritischen Anti-Rassismus stark machen müssen, in dem sich in eine fortwährende Auseinandersetzung begeben wird.
Selten wird berücksichtigt, dass es eine lange Schwarze Geschichte in Deutschland gibt und diese ebenso Teil der Geschichte des Landes ist, die beispielsweise in der geringen Auseinandersetzung mit dem Deutschen Kolonialismus ausgeblendet wird. Es sind keine neuen Kämpfe, denn viele Initiativen und Organisationen von bzw. für Schwarze Menschen im deutschsprachigen Raum setzen sich seit Jahrzehnten für ihre Rechte ein. “Es sollte nicht Aufgabe von Minderheiten sein”, sagte Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Langtages Aminata Touré nach dem Mord an George Floyd, denn es ist eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rassismus, insbesondere Anti-Schwarzer-Rassismus, erforderlich.
Hierfür ist es notwendig, sich seiner Privilegien bewusst zu werden und internalisierte Denkstrukturen zu erkennen, rassistische Muster zu brechen und sich als Ally (zu dt. Verbündete*r) mit marginalisierten sowie diskriminierten Gruppen zu solidarisieren. Der erste Schritt sollte sein, von Rassismus betroffenen Menschen zuzuhören und ihnen zu glauben. Rassismus betroffenen Menschen wird oft ihre Erfahrung abgesprochen oder ihre Erlebnisse werden verharmlost, dabei sollte jede nicht von Rassismus betroffene Person reflektieren, aus welcher Position sie betrachtet und bewertet. In diesem Diskurs gilt es zu beachten, dass auch in Communities of Color Anti-Schwarzer-Rassismus existiert und Diskriminierung wegen unterschiedlicher Hauttönen (Stichwort “Colorism”) bei lightskinned BIPoC anders ist. Durch weiße Privilegien können Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, nicht begreifen wie es ist, tagtäglich Mikroaggressionen ausgesetzt zu sein. Denn für Weiße scheint die Auseinandersetzung mit rassistischen Stereotypen nicht nötig, da das Weißsein als Norm gilt. Viele meinen, alle Menschen ohne Unterschied zu betrachten und Hautfarben nicht im Zusammenleben nicht wahrzunehmen – Aussagen aus einer privilegierten Position.
Es reicht nicht aus, auf Instagram einmalig einen schwarzen Kasten zum #blackouttuesday als symbolisches Zeichen gegen Anti-Schwarzen Rassismus zu posten, weil es eine kontinuierliche Frage ist, mit der Schwarze Menschen ständig konfrontiert werden. Daher ist der Ausdruck „All Lives Matter“ problematisch, denn Schwarze Menschen sind verstärkt Gewalt ausgesetzt, weshalb Differenzierungen wichtig sind. Das fängt bei kultureller Aneignung an und zeigt sich weiterhin bei der Verwendung des N-Wortes, deren Reproduktion gewaltvoll bleibt.
Bücher von BIPoC Autor*innen zu lesen, Schwarzen Journalist*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen in sozialen Medien zu folgen oder Petitionen zu unterschreiben, zu demonstrieren und zu spenden, sind der mindeste Support, der von nicht Betroffenen geleistet werden sollte. Intersektionalität ist in der Rassismuskritik grundlegend, um sich für komplexe Zusammenhänge und Erfahrungen annähernd zu sensibilisieren. Black Lives Matter wurde von drei queeren Schwarzen Frauen ins Leben gerufen (Quelle: BIPoC LGBTIQ* Organisation Gladt e.V.), die nach dem Tod von Trayvon Martin, der durch Racial Profiling 2012 starb, die Bewegung starteten. Rassismen tauchen nicht plötzlich auf, sie sind nicht nur an einem Ort feststellbar, sondern in gesellschaftlichen Strukturen, in globalen Machtverhältnissen und im kapitalistischen System verstrickt und nein, daher kann es keinen Rassismus gegen weiße Menschen geben. Um mit der anti-rassistischen Arbeit zu beginnen, ist es bedeutend, einen Schritt zurück zu treten und insbesondere Schwarzen Menschen und People of Color zuzuhören.
Im Folgenden ein paar Folge-Empfehlungen zum Hören
Realitäter*innen PODCAST
Einzelfolge: #BlackLivesMatter Special – Warum die Schwarze Community endlich gehört werden muss (EP 10, 04.06.2020)
Afropod – Kompromisslos Schwarz PODCAST
Einzelfolge: Anti-Schwarzer Rassismus?! (EP 2, 21.08.2019)
BBQ – Black Brown Queere PODCAST
Einzelfolge: Meine Hautfarbe – Dein Fetisch (EP 4, 11.06.2020)
Tupodcast PODCAST
Einzelfolge: Gespräch mit Aminata Belli (EP 10, 07.04.2020)
Black & Breakfast PODCAST
Einzelfolge: Blackfishing (EP 5, 10.01.2019)
COSMO Machiavelli – Rap und Politik PODCAST
Einzelfolge: Black Her- & His-Story (EP 43, 26.02.2020)
Ein Gastbeitrag von Sarah Mohsenyan.