Der Begriff Braun wird meistens im englischsprachigen Raum für Individuen mit Südasiatischen und Middle Eastern Hintergrund, aber auch für Latinx Menschen, der als Selbstbezeichnung des Braunseins wirkt. Dieser Begriff ermöglicht eine dritte Positionierung aus dem Binären Schwarz-weiß Identitäten und macht die differenzierte Rassismuserfahrungen, die Braune Menschen machen, sichtbar. Der Begriff/das Wort braun/ Braun wird im deutschsprachigen Kontext mit Nationalsozialismus assoziiert. Er gilt ganz unabhängig von dieser Assoziation trotzdem für viele als eine empowernde Selbstbezeichnung.
Dominanzgesellschaft
Mit dem Begriff Dominanzkultur oder -gesellschaft beschreibt die Psychologin und Pädagogin Birgit Rommelspacher eine hierarchisierende gesellschaftliche Ordnung. Eine solche Ordnung verläuft anhand vieler verschiedener Differenzlinien (Frau/Mann, weiß/Schwarz, deutsch/nicht-deutsch, arm/reich usw.), was zu einem Verblassen der kollektiven Identitäten und zu Verunsicherung führt. Diese Uneindeutigkeiten verdecken und rechtfertigen bestehende Ungleichheiten und Diskriminierungen, sodass die Dominanzgesellschaft sich ihrer eigenen Hierarchien nicht bewusst ist (oder sein will), sondern sich (allerdings nur oberflächlich) zu Gleichheit und Gleichwertigkeit bekennt.
angelehnt an Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit (IDA), in Glossar. https://www.idaev.de/recherchetools/glossar?
weiß
Weiß ist eine gesellschaftliche Position, die mit unhinterfragten Privilegien verbunden ist. Hier ist auch, wie bei BIPoC nicht die Hautfarbe gemeint, sondern die Machtverhältnisse, bei denen das weiß– Sein gegenüber BIPoC immer vorteilhaft ist. Zum Beispiel haben weiße Menschen oftmals bessere Zugänge zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, Gesundheitssystem und gesellschaftlicher Teilhabe als BIPoC. Weiß sein gilt als die selbstverständliche Norm, wodurch weiße Menschen selbst unmarkiert bleiben.
Weiß wird oft klein und/oder kursiv geschrieben, um auf diese ungerechtfertigte machtvolle Position hinzuweisen.
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Black, Indigenous, and People of Color (BIPoC)
Black, Indigenous, and People of Color – abgekürzt BIPoC – ist eine Selbstbezeichnung von und für Menschen mit Rassismuserfahrungen. Der Begriff markiert eine politische gesellschaftliche Position und versteht sich als emanzipatorisch und solidarisch. Er positioniert sich gegen Spaltungsversuche durch Rassismus und Kulturalisierung sowie gegen diskriminierende Fremdbezeichnungen durch die weiße Mehrheitsgesellschaft. Black, Indigenous und People of Color machen jeweils unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen und werden daher auch getrennt gekennzeichnet. Wenn Personen nur über eine bestimmte Personengruppe dieser Gruppe sprechen, sollten auch nur die genannt werden, über die gesprochen wird. Die Bezeichnung PoC schließt alle Menschen mit ein, die aufgrund von Hautfarbe, Sprache, Namen, Herkunft und/ oder Religion markiert und rassistisch und/ oder intersektional diskriminiert werden
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Intersektionalität
Intersektionalität bezieht sich auf das Zusammenwirken von von Diskriminierungskategorien wie Geschlecht, ethnischer Herkunft, Klasse, sexueller Orientierung, Be_Hinderung uvm. Dabei geht es nicht nur um das bloße Addieren der Kategorien, sondern dem Verständnis darüber, welche konkreten Auswirkungen diese Mehrfachdiskriminierung auf Individuen und Strukturen hat.
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) –Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Allyship
Der Begriff “Allyship” kommt von dem Wort “ally”, welches auf deutsch mit “Verbündete*r” gleichgesetzt werden kann. Dabei bezieht sich der Begriff auf das aktive Handeln, sprich “allying” = “sich verbünden”, der verbündeten, aber nicht betroffenen Person. Personen verbünden sich also mit einer diskriminierten Gruppe, obwohl sie selbst nicht von dieser Diskriminierung betroffen sind. Allyship im Kontext von Rassismus bezieht sich auf den Kampf an der Seite von Schwarzen Menschen, Indigenen und People of Color. Dabei geht es primär um das Angehen des rassistisches Systems mit seinen internalisierten Strukturen. Dazu gehört auch, sich bewusst zu sein, innerhalb dieses Systems Teil der privilegierten Gruppe zu sein ist. Denn Menschen, die nicht zu den genannten Personengruppen gehören, profitieren strukturell, institutionell und auch persönlich von Rassismus. Als ally/Verbündete*r werden die eigenen Privilegien genutzt um Räume für diskriminierte Menschen zu schaffen, sich für Themen einzusetzen, Rassismus aufzudecken und zu benennen. Die Beschreibung des allys/Verbündete*r ist dabei keine Selbstbezeichnung, sondern liegt in der Definitionsmacht der von Diskriminierung betroffener Menschen.
Klassismus
Klassismus bezeichnet die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft und/oder des sozialen und ökonomischen Status. Es geht bei Klassismus also nicht nur um die Frage, wie viel Geld eine Person zur Verfügung hat, sondern auch welchen Status sie hat und in welchen finanziellen und sozialen Verhältnissen sie aufgewachsen ist. Klassismus richtet sich gegen Menschen aus der Armuts- oder Arbeiter*innenklasse, z.B. einkommensarme oder erwerbslose und wohnungslose Menschen, aber auch Arbeiter*innenkinder. Der Begriff wurde maßgeblich durch die Erfahrungen von Communities geprägt, die mehrfach diskriminiert werden.
angelehnt an Awareness Akademie (oohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Lookismus
Lookismus ist die Diskriminierung aufgrund des Aussehens. Es ist die Annahme, dass das Aussehen ein Indikator für den Wert einer Person ist. Sie bezieht sich auf die gesellschaftliche Konstruktion einer Schönheits- oder Körpernorm und die Unterdrückung durch Stereotype und Verallgemeinerungen über Menschen, die diesen Normen entsprechen und über diejenigen, die ihnen, aus Sicht der urteilenden Person, nicht entsprechen.
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Adultismus
Adultismus beschreibt die Diskriminierung von jüngeren Kindern oder Jugendlichen aufgrund eines bestehenden Machtungleichgewichts zwischen Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen. Adultismus nimmt dabei eine häufig gesellschaftlich akzeptierte Dominanz, beispielsweise fehlende Ernsthaftigkeit, gegenüber Kindern in den Blick, die als gegeben angesehen und kaum hinterfragt wird.
angelehnt an Awarness Akademie (ohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Ageismus
Ageismus ist ein Begriff, der die negative Bewertung von Menschen aufgrund ihres höheren Lebensalters bezeichnet. Bei älteren Menschen führt insbesondere eine soziale und ökonomische Benachteiligung zu erschwerter Teilhabe am Arbeits- und gesellschaftlichen Leben.
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Ableismus
Der Begriff Ableismus ist dem englischen Wort für »Fähigkeit« entlehnt und stammt aus der US-amerikanischen Behindertenbewegung. Er bezeichnet die Bewertung von Menschen mit Be_Hinderungen anhand ihrer (zugeschriebenen) körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Damit verbunden ist eine Reduktion des Menschen allein auf seine Beeinträchtigung (welche auch nicht von allen be_hinderten Menschen als eine tatsächliche Behinderung wahrgenommen wird, da sich diese stark unterscheiden und bei jedem Menschen anders sind, zu eigenen Erfahrungen und eigenen Bedürfnissen im Umgang damit führen) . Die Bewertung kann negativ durch Abwertung erfolgen, oder vermeintlich positiv durch Aufwertung. Der Bewertung geht voraus, dass es so etwas wie eine Vorstellung eines körperlichen und geistigen Normalzustandes gibt, anhand dessen Be_Hinderung als Abweichung bewertet werden kann.
Wenn Menschen mit Be_Hinderungen aufgrund dieser Bewertung ungleich behandelt oder benachteiligt werden, ist das Diskriminierung.
Um auch in der Sprache zu verdeutlichen, dass Personen nicht be_hindert sind, sondern durch äußere Umstände, Gebäude und Strukturen dazu gemacht werden, wird der Unterstrich verwendet.
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Cissexismus
Cissexismus bezeichnet die Diskriminierung von trans Menschen. Dies äußert sich z.B. durch Ablehnung, Ausgrenzung, Wut, Intoleranz, Vorurteile, Unbehagen oder körperliche bzw. psychische Gewalt gegenüber trans Personen oder Menschen, die als trans wahrgenommen werden. Cissexismus soll im Unterschied zu Transfeindlichkeit außerdem die Gewaltförmigkeit und systemische Verankerung des Zweigeschlechter-Systems betonen und auch die Spezifika der Ablehnung von trans im Vergleich zu Sexismus deutlich machen. Cissexismus beinhaltet auch, dass Personen nicht bedenken, dass es trans Personen gibt.
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Sexismus
Sexismus bezeichnet verschiedene Formen der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres zugeschriebenen Geschlechts und sind Ausdruck des patriarchalen Systems. Zugleich steht der Begriff für die diesem Phänomen zugrunde liegende Ideologie, welche Geschlechterrollen festschreibt und hierarchisiert. Cis Männer profitieren von patriarchalen Strukturen, FLINTA+ (Frauen, Lesben, Intersex-Personen, Nicht-binäre-Personen, Trans-Personen und Agender-Personen) sind von Sexismus negativ diskriminiert, also abgewertet und marginalisiert. Die Erscheinungsformen von Sexismus sind kulturell und historisch bedingt.
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Anti-Rom*nja und Sinti*zze Rassismus
Rom*nja und Sinti*zze ist die Selbstbezeichnung einer mehrere hunderttausend Mitglieder umfassenden und stark ausdifferenzierten Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Sie ist seit dem Ende des 14. Jahrhunderts in Europa beheimatet und in Deutschland als nationale Minderheit anerkannt.
angelehnt an Awareness Akademie (ohne Datum) – Glossar – Awareness Akademie (awareness-akademie.de)
Anti-Slawischer Rassismus
Bereits im 19. Jahrhundert war Antislawismus – auch Slaw*innenfeindlichkeit genannt – in Deutschland als eine Form des Rassismus weit verbreitet. Darunter ist die rassistische Diskriminierung und Verfolgung von Menschen (zugeschriebener) osteuropäischer Herkunft zu verstehen. „Slaw*innen“ wurden als minderwertig erachtet und es wurde ihnen die Fähigkeit zur Kultivierung von Land abgesprochen. Antislawismus spielte in der nationalsozialistischen Ideologie und Politik eine wichtige Rolle, insbesondere für die Rechtfertigung des Angriffskrieges gegen die Sowjetunion, die Annexion osteuropäischer Regionen für deutsche Siedlungsprojekte und die unmenschliche Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener im Zweiten Weltkrieg.
angelehnt an KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Uni Augsburg, Uni Hamburg: “Koloniales und rassistisches Denken und Handeln im Nationalsozialismus” (2019)
Rassismus
Rassismus ist eine Ideologie von Ungleichheit in der tatsächliche und konstruierte Unterschiede von Menschen bewertet werden. Rassismus bewirkt oder beabsichtigt, dass Menschen wegen ihrer äußeren Erscheinung, Nationalität oder Religion abgewertet werden. Diese historisch geprägte Abwertung entscheidet über den Zugang zu Ressourcen und über gesellschaftliche Teilhabe. Rassismus drückt sich dabei auf drei Ebenen aus: Struktureller, Institutioneller und Individueller Rassismus.
vgl. Amadeu-Antonio-Stiftung –https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/rassismus/was-ist-rassismus/
Colorism
Colorism (oder auch Shadeism) ist eine Form von Rassismus, die weniger bekannt, aber genauso wichtig zu thematisieren ist. Sie basiert ebenso auf diskriminierenden Denkmustern wie Rassismus, jedoch bietet die Schattierung der Haut die Grundlage für eine Bevorzugung oder Benachteiligung einer Person. Schwarze Menschen mit eher hellerer Hautfarbe erfahren deshalb andere rassistische Diskriminierung als BIPoC mit dunklerer Haut. Light skinned People genießen Privilegien, die dark skinned Menschen verwehrt bleiben.
Diejenigen, die am ehesten dem europäischen Schönheitsideal gleichen, erfahren im Alltag weniger Ausgrenzung. Studien zufolge hat dies konkrete Auswirkungen im Justizsystem, bei der Wohnungssuche, auf dem Arbeitsmarkt, in den Medien, dem Gesundheitswesen und der Politik – also in allen Lebensbereichen. Menschen mit hellerer Haut fällt es oftmals schwer zu verstehen, dass sie in einem rassistischen System Privilegien genießen, die andere nicht haben. Wichtig ist vor allem die Anerkennung der unterschiedlichen Rassismuserfahrungen: Geschlecht, soziale Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung, Körper, Be_hinderung, regionale Hintergründe und eben auch die Hautfarbe haben eine ausschlaggebende Wirkung.
Auch in Ländern des globalen Südens werden Menschen mit hellerem Hautton gesellschaftlich favorisiert. Der Hauptunterschied zu Rassismus ist, dass Colorism nicht nur zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen auftritt, sondern auch innerhalb einer ethnischen Gruppe. Im Diskurs und Kampf gegen Rassismus ist die Thematik innerhalb BIPoC Communities stark tabuisiert und macht ihre Auseinandersetzung sehr emotional.
Den Begriff Colorism prägte erstmals die afro-amerikanische Schriftstellerin Alice Walker. In ihrem Roman „Die Farbe Lila“ (1982) erklärt sie, dass rassistische Kategorisierung von vielen Faktoren abhängt. Der Hautton ist nur ein Diversitätsmerkmal, welches zur Hierarchisierung von Menschen missbraucht wird.
Mariama Bah
Antisemitismus
Derzeit findet der Prozess gegen den Attentäter statt, der im Oktober letzten Jahres versuchte in eine Synagoge in Halle einzudringen und Jüdinnen:Juden zu erschießen. Als er es nicht schaffte, erschoss er auf seiner Flucht zwei Menschen, eine Person auf offener Straße, eine in einem Döner-Imbiss. Er hatte ein klares antisemitisches, rassistisches und antifeministisches Weltbild.
Für viele war das Attentat ein riesiger Schock. Für jüdische Personen war es keiner. Schon lange warnen wir vor den Gefahren von Antisemitismus, dass rechtsextremistische Ideen sich wie Lauffeuer im Netz verbreiten lassen und dass es sich bei Antisemitismus nicht um ein Relikt aus der Vergangenheit handelt.
Ein Schock war es vorwiegend für diejenigen, die sich nicht mit den Auswirkungen der Ideologie der weißen Vorherrschaft auseinandersetzen und damit wie diese einen großen Bestandteil der deutschen Gesellschaft darstellt, wie diese Menschen rassifiziert und sie “andert”. Denn Deutschland ist keine homogene Gruppe und hat keine homogene Kultur. Nur durch die Stereotypisierung des ‘Anderen’ wirkt die eigene konstruierte Gemeinschaft wie eine homogene Gruppe in die vermeintlich andere nicht hineinpassen. Der Prozess der Anderung schafft somit die Identität einer eigenen Gruppe, die der “Deutschen”, durch die stereotypische Abgrenzung zur ‘anderen’ Gruppe, z.B. die der “Juden”.
Zu der Ideologie der weißen Vorherrschaft gehören Rassismus und Antisemitismus. Während bei rassistischen Praxen, zumeist die davon Betroffenen als minderwertiger konstruiert und hierarchisch untergeordnet werden, werden bei antisemitischen Praxen die davon Betroffenen als zugleich minderwertig und übermächtig konstruiert. Bei antisemitischen Praxen werden somit jüdische Personen und Institutionen nicht in ihrer Verschiedenheit wahrgenommen. Ob Schwarze Jüdinnen:Juden of Color oder weiße Jüdinnen:Juden, Mizrachim, Sephardim oder Aschkenasim, ob religiös oder atheistisch, ob Israeli oder Deutsch, sie werden alle zu einer Gruppe konstruiert, nämlich die der „Juden“. Die eigene Identität wird dadurch gestärkt, dass sie sich selbst von den „Anderen“ auf Grundlage positiv bewerteter Attribute abgrenzen kann und ungewollte Eigenschaften den „Anderen“ zugeschrieben werden. (vgl. Schäuble 2016, S. 1) Der_die Antisemit:in muss daher nicht sich selbst und gesellschaftliche Zusammenhänge reflektieren, sondern projiziert negative Eigenschaften und Entwicklung auf „die Juden“. Sie bestimmen was „der Jude“ ist und was nicht.
Dadurch werden „die Juden“ zugleich als fremd und übermächtig zu dem Selbst konstruiert, weshalb sie oftmals abstrahierende und komplexe Systeme verkörpern, für die sie schlussendlich beschuldigt werden können. Sie werden zur Grenzfigur der sozialen Ordnung und damit zu den Repräsentanten des Bösen gemacht. So steht die Konstruktion „der Juden“ abseits der Nation, sei schuld am Kapitalismus und am Sozialismus, macht aus dem „guten“ Kapitalismus das „böse Geldsystem“, und/oder sei die Elite, die geheime Komplotte schmiede und hinter Allem stecke. Diese Zuteilung ermöglicht es, sich selbst als Opfer fremder Mächte zu positionieren und sich an einem Sündenbock abreagieren zu können. Außerdem wird deutlich, dass die antisemitische Vorstellung die soziale Ordnung der Gesellschaft erhalten bzw. wiederherstellen will, ob das nun die Nation oder die „weiße Vorherrschaft“ ist. Um die soziale Ordnung wiederherzustellen, müssen in dieser Ideologie daher „die Juden“ identifiziert, entfernt und vernichtet werden. Ein bekanntes Bild, dass im Nationalsozialismus belebt und in der Shoah realisiert wurde. Da antisemitische „Judenbilder“ historisch gewachsen, tief kulturell verankert und weit verbreitet sind, begründen sie vielfältige Ideologien, aus denen sich ganze Weltanschauungen ergeben. (vgl. Schäuble 2016, S. 3)
Der an Verschwörungsmythen gekoppelte Antisemitismus, welcher stets eine verschwörungsgeleitete Welterklärung ergibt, gilt als der Unterschied vom christlichem Antijudaismus zum modernen Antisemitismus. Wenn also Mythen über Personen, die sich gegen die Welt verschworen haben, auftauchen, fallen sie oft auf die bewährte Konstruktion „der Juden“ zurück. Komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge werden dadurch vereinfacht und alles Böse der Welt „den Juden“ zugeschrieben. Deshalb bedingen Verschwörungsmythen Antisemitismus strukturell.
Um Antisemitismus zu bekämpfen reicht es deshalb nicht aus, Polizeibeamte vor sämtliche Synagogen oder jüdische Schulen Deutschlands zu platzieren. Zumal viele jüdische Personen nicht einmal in einer jüdischen Gemeinde eingetragen sind. Antisemitismus findet auf Schulhöfen, in Unis, auf der Strasse, in der U-Bahn, bei den Eltern am Esstisch statt. Da er strukturell bedingt ist, muss er strukturell angegangen werden.
Dabei ist es die Aufgabe von nichtjüdischen Personen sich zu solidarisieren und gegen Antisemitismus einzustehen. Das bedeutet auch, jüdischen Personen bei der Ausarbeitung und Auslegung der Thematik ihrer eigenen Ausgrenzung den Vortritt zu lassen. Das bedeutet auch Geld in die Hand zu nehmen und jüdische Aktivist*innen, anti-antisemitische Arbeit von jüdischen Personen und jüdische Projekte zu unterstützen. Eine rein weiß-christliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus läuft auf die Gefahr hin, zu stereotypisieren und jüdische Menschen wieder einmal nicht in ihrer Verschiedenheit wahrzunehmen. Außerdem kann es nicht sein, dass diejenigen, die von einem antisemitischen System profitieren, auch davon profitieren, über Antisemitismus aufzuklären.
Viele in Deutschland denken jüdische Menschen seien wie ein Mythos, als gäbe es uns gar nicht. Als seien wir nicht schon seit Jahrtausenden Teil von vielen Kulturen, als gäbe es keine jüdische:n Dichter:innen oder Philosoph:innen, als würden nicht über 100.000 jüdische Menschen in Deutschland leben.
Jüdinnen:Juden sind keine markierten Opfer, die zur Prime-time einmal im Jahr ausgefragt werden können wie schlimm es doch sei als eine jüdische Person in Deutschland zu leben. Wir sind Kämpfer:innen. Wir brauchen keine Hilfe, sondern eure Unterstützung. Wir brauchen eure Solidarität mit uns.
Investiert in jüdische Projekte, Personen und Kämpfe. Setzt nicht euch in den Fokus von unserem Kampf.
Text von Riv Elinson.
Anti – Schwarzer Rassismus
Das Video, das von einer durch die Situation traumatisierten Schwarzen jungen Frau am 25.Mai 2020 in Minneapolis gefilmt wurde, zeigt einen Schwarzen Mann, dessen Nacken von dem Knie eines US-amerikanischen weißen Polizisten auf die Straße gedrückt wird. Polizeigewalt ist kein Einzelfall, immer wieder werden People of Color, überproportional Schwarze Menschen, Opfer rassistisch motivierter Taten. Die brutale Ermordung George Floyds hat große Demonstrationen veranlasst, die darauf aufmerksam machen, dass Rassismus in gesellschaftlichen Strukturen, wie bei der ausführenden Gewalt der Polizei, verankert ist. Wer mit dem Zeigefinger auf die USA zeigt, hat die Situation in Deutschland auch einzubeziehen.
„Wir sind rassistisch sozialisiert worden. Wie bereits viele Generationen vor uns. Es ist nicht leicht, diese soziale Brille abzunehmen und eine rassismuskritische Sichtweise zu entwickeln. Aber: Es ist nicht unmöglich,“ meint Antirassismustrainerin Tupoka Ogette. Wer nicht ihre*seine weißen Privilegien reflektiert, erhält ein rassistisches System aufrecht und deshalb ist es so wichtig, sich nicht nur anti-rassistisch zu zeigen, sondern anzuerkennen, dass wir uns für einen rassismuskritischen Anti-Rassismus stark machen müssen, in dem sich in eine fortwährende Auseinandersetzung begeben wird.
Selten wird berücksichtigt, dass es eine lange Schwarze Geschichte in Deutschland gibt und diese ebenso Teil der Geschichte des Landes ist, die beispielsweise in der geringen Auseinandersetzung mit dem Deutschen Kolonialismus ausgeblendet wird. Es sind keine neuen Kämpfe, denn viele Initiativen und Organisationen von bzw. für Schwarze Menschen im deutschsprachigen Raum setzen sich seit Jahrzehnten für ihre Rechte ein. “Es sollte nicht Aufgabe von Minderheiten sein”, sagte Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Langtages Aminata Touré nach dem Mord an George Floyd, denn es ist eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rassismus, insbesondere Anti-Schwarzer-Rassismus, erforderlich.
Hierfür ist es notwendig, sich seiner Privilegien bewusst zu werden und internalisierte Denkstrukturen zu erkennen, rassistische Muster zu brechen und sich als Ally (zu dt. Verbündete*r) mit marginalisierten sowie diskriminierten Gruppen zu solidarisieren. Der erste Schritt sollte sein, von Rassismus betroffenen Menschen zuzuhören und ihnen zu glauben. Rassismus betroffenen Menschen wird oft ihre Erfahrung abgesprochen oder ihre Erlebnisse werden verharmlost, dabei sollte jede nicht von Rassismus betroffene Person reflektieren, aus welcher Position sie betrachtet und bewertet. In diesem Diskurs gilt es zu beachten, dass auch in Communities of Color Anti-Schwarzer-Rassismus existiert und Diskriminierung wegen unterschiedlicher Hauttönen (Stichwort “Colorism”) bei lightskinned BIPoC anders ist. Durch weiße Privilegien können Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, nicht begreifen wie es ist, tagtäglich Mikroaggressionen ausgesetzt zu sein. Denn für Weiße scheint die Auseinandersetzung mit rassistischen Stereotypen nicht nötig, da das Weißsein als Norm gilt. Viele meinen, alle Menschen ohne Unterschied zu betrachten und Hautfarben nicht im Zusammenleben nicht wahrzunehmen – Aussagen aus einer privilegierten Position.
Es reicht nicht aus, auf Instagram einmalig einen schwarzen Kasten zum #blackouttuesday als symbolisches Zeichen gegen Anti-Schwarzen Rassismus zu posten, weil es eine kontinuierliche Frage ist, mit der Schwarze Menschen ständig konfrontiert werden. Daher ist der Ausdruck „All Lives Matter“ problematisch, denn Schwarze Menschen sind verstärkt Gewalt ausgesetzt, weshalb Differenzierungen wichtig sind. Das fängt bei kultureller Aneignung an und zeigt sich weiterhin bei der Verwendung des N-Wortes, deren Reproduktion gewaltvoll bleibt.
Bücher von BIPoC Autor*innen zu lesen, Schwarzen Journalist*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen in sozialen Medien zu folgen oder Petitionen zu unterschreiben, zu demonstrieren und zu spenden, sind der mindeste Support, der von nicht Betroffenen geleistet werden sollte. Intersektionalität ist in der Rassismuskritik grundlegend, um sich für komplexe Zusammenhänge und Erfahrungen annähernd zu sensibilisieren. Black Lives Matter wurde von drei queeren Schwarzen Frauen ins Leben gerufen (Quelle: BIPoC LGBTIQ* Organisation Gladt e.V.), die nach dem Tod von Trayvon Martin, der durch Racial Profiling 2012 starb, die Bewegung starteten. Rassismen tauchen nicht plötzlich auf, sie sind nicht nur an einem Ort feststellbar, sondern in gesellschaftlichen Strukturen, in globalen Machtverhältnissen und im kapitalistischen System verstrickt und nein, daher kann es keinen Rassismus gegen weiße Menschen geben. Um mit der anti-rassistischen Arbeit zu beginnen, ist es bedeutend, einen Schritt zurück zu treten und insbesondere Schwarzen Menschen und People of Color zuzuhören.
Im Folgenden ein paar Folge-Empfehlungen zum Hören
Realitäter*innen PODCAST
Einzelfolge: #BlackLivesMatter Special – Warum die Schwarze Community endlich gehört werden muss (EP 10, 04.06.2020)
Afropod – Kompromisslos Schwarz PODCAST
Einzelfolge: Anti-Schwarzer Rassismus?! (EP 2, 21.08.2019)
BBQ – Black Brown Queere PODCAST
Einzelfolge: Meine Hautfarbe – Dein Fetisch (EP 4, 11.06.2020)
Tupodcast PODCAST
Einzelfolge: Gespräch mit Aminata Belli (EP 10, 07.04.2020)
Black & Breakfast PODCAST
Einzelfolge: Blackfishing (EP 5, 10.01.2019)
COSMO Machiavelli – Rap und Politik PODCAST
Einzelfolge: Black Her- & His-Story (EP 43, 26.02.2020)
Ein Gastbeitrag von Sarah Mohsenyan.
Weitere Empfehlungen
Afropod: Kompromisslos Schwarz
Maciré und Fatou möchten mit ihrem Podcast die “Politisierung Schwarzer Menschen inspirieren”. Sie glauben an Schwarze Befreiung und wollen mit ihrem Podcast einen Beitrag dazu leisten, indem sie komplexe Zusammenhänge erklären, Schwarze Geschichte und das Leben Schwarzer Menschen in Deutschland in den globalen Kontext einordnen und englischsprachige Literatur zugänglich machen. Die Podcasterinnen betonen, dass Schwarz als soziale Kategorie verstanden wird und besprechen die Konstruktion von “Rasse” als Rechtfertigung für Unterdrückung, Ausbeutung, Versklavung und Völkermord im historischen Rückblick vom vorkolonialen Sklavenhandel, über die Geschichte Deutschlands im 20.Jahrhundert bis zum fortwährenden Weitertragen des rassistischen Systems in die Gegenwart. “Gewalt an Schwarzen Körpern ist Normalzustand”, dessen weiß gesetzte Norm Ungleichbehandlung institutionalisiert und Schwarze Menschen kriminalisiert. Es geht aber nicht nur darum, Schwarzes Leid sichtbar zu machen, sondern auch Schwarzes Leben zu zeigen und “AfroSpirit” zu feiern, und sich gegenseitig für Schwarzen Widerstand zu empowern, weshalb sie auch News vom afrikanischen Kontinent in den Podcast mitbringen. Der Podcast ist “kein Ort für White Tears” und richtet sich nicht an weiße Menschen.
Auf eine Tüte
Journalist:in und Kolumnist:in Hengameh Yaghoobifarah, wegen der eigenen “Habibitus”-Kolumne bei der taz und Instagram auch unter diesem Namen zu finden, trifft sich “auf eine Tüte” mit Bekannten, die ihren Schrank mit Baggage öffnen und anhand des Sortiments aus ihrem Leben erzählen. Hengameh fragt zum Beispiel Rap-Künstlerin Nura, Schriftstellerin Fatma Aydemir, Journalistin + DJ Miriam Davoudvandi, Moderator + Videojournalist Tesfu Tarik, Journalistin + Podcasterin Alice Hasters, Musikerin Ebow oder Schauspielerin Banafshe Hourmazdi danach, welcher Taschen-Typ sie sind und können dabei lange über Style und Praktikabilität schnacken. Mit dem Emotional Baggage geht es an die schweren Päckchen, die mit der Leichtigkeit der It-Bags für den Moment wieder abgeworfen werden. Bei der “Katze im Sack” werden versteckte, persönliche Errungenschaften wertgeschätzt und in die Schultüte packen die Gäste noch Ratschläge und Lebensweisheiten aus Erfahrung für die Zuhörer:innen ein. Empfehlenswerte Ergänzung ist das Buch (Eure) Heimat ist (unser) Albtraum, was von Hengameh Yaghoobifarah mitherausgegeben wurde.
BBQ – Black Brown Queere
Weil für Dominik Djialeu und Zuher Jazmati queere Menschen und BIPoC in den deutschen Medien zu kurz kommen, gründeten sie den BBQ – Der Black Brown Queere Podcast, der Perspektiven aus der nicht-weißen Community ins Zentrum stellt. Für und mit QTI*BIPoC (Queer Trans* Inter*sexual Black Indigenous People of Color) und ihren Allies (Unterstützende, Verbündete) schauen sie auf Communities, ihre wechselseitige Beeinflussung und sprechen über Identifikation und Zugehörigkeitsgefühl. Die erste Folge startete im Juni 2020 mit der Sicht auf queere PoC in der Sexarbeitbranche, wo es unter anderem um BDSM ging. In weiteren Folgen tauschen sie sich mit Gästen über Solidaritäten zwischen muslimischen Communities und queeren Communities bzw. zur muslimisch-queeren Community aus, diskutieren über Fetischisierung und Rassismus in der queeren Dating-Szene, behandeln das Thema Einsamkeit und analysieren die fehlende Repräsentation von QTI*BIPoC auf den Fernsehbildschirmen und Queerness im Rap, die kaum im Mainstream präsent ist.
In dem Podcast Bin ich süßsauer? interviewt Sung Un Gang, Medienwissenschaftler, queere asiatische Menschen und führt dabei zugewandt und aufmerksam durch die Gespräche. Die Gesprächspartner*innen erzählen von ihren Leben und Erfahrungen, die auch mit Homo- oder Transphobie zusammenhängen. Ausgangspunkt ist nicht unbedingt Deutschland, sondern ebenso die Perspektive als queere Person auf anderen Kontinenten. Dabei geht es beispielsweise darum, wie es ist, sich als erste Person in einem Land öffentlich zu outen. Ihre individuellen Geschichten berichten von schwierigen Wegen und zeigen, wie sie sich das erkämpft haben, was sich für sie gut anfühlt und darüber hinaus, wie wichtig Gespräche über Diskriminierung innerhalb der eigenen asiatischen Community sind.
Black & Breakfast
Joana und Jaide machen den Podcast, um mehr Repräsentation von Women of Color in Deutschland zu schaffen und von ihren Erfahrungen in rassistischen Strukturen zu erzählen. Sie problematisieren Darstellungen von Stereotypen und das Fehlen von Identifikationsfiguren in den Medien und berichten, was es mit ihnen gemacht hat. In jungen Jahren schon aufgrund des Aussehens anders behandelt zu werden und mit dem Gefühl, ungenügend zu sein oder im Bildungssystem mit Selbstzweifeln konfrontiert zu werden, besprechen sie auch anhand der Wirkung des Impostor Syndroms. Die Podcasterinnen zeigen auf, woher Blackfishing kommt und erklären passend in einer anderen Folge, was weiße Privilegien sind. Und nicht zu vergessen, die Frage aller Fragen, die PoC ständig gestellt bekommen: “Woher kommst du her?” wird von ihnen auseinandergenommen.
Chai Society
Die Radiomoderatorinnen Soraya und Refiye haben einen migrantischen Hintergrund gemeinsam und das Gefühl, im Gegensatz zu anderen in der weißen Mehrheitsgesellschaft ‚strenger‘ aufgewachsen zu sein. Bei einem Glas Tee sprechen sie über Alltagsherausforderungen, Gelantinefreies/Halal Food zu finden, über die Verurteilung von Heirat und lachen über Klischees. Außerdem thematisieren sie schwierige Konzepte wie das der ‚Jungfräulichkeit‘, der Ehre oder dem Druck der Schönheitsideale und sagen ihre Meinung dazu. Empfehlung geht besonders zu der „K-Wort“- Folge raus, wo die beiden Podcasterinnen mit Malcom und Marcel von der Kanakischen Welle über die Definition in Bezug auf Rassismus- und Klassismuserfahrung, Vereinnahmung und den Gebrauch des Begriffes diskutieren.
COSMO Machiavelli – Rap und Politik
Aktuell jubiliert der Podcast, der von den Journalisten Vassili Golod und Jan Kawelcke moderiert wird, seine 50. online gegangene Folge. Seit Sommer 2018 spricht (Deutsch)Rap hier mit Politik und Politik trifft (Deutsch)Rap. Bekannte Stimmen und hochkarätige Gesichter aus der HipHop Szene und Politik sind regelmäßig zu Gast. “Machiavelli ist eine Art Arena”, sagt Vassili in der Hochzeitsfolge, in der Kämpfe im Dialog stattfinden. Es geht ihnen nicht um Konsens, wie auch im Umgang der Moderatoren miteinander zu bemerken ist, sondern um ein respektvolles Gegenübertreten in Diskussionen, in denen unterschiedliche Positionen aufeinandertreffen. In dem Podcast kann mensch etwas über Rap Geschichte, politische Zusammenhänge, ‘Zeitgeist’ und gesellschaftliche Entwicklungen lernen. Es wird außerdem in den US-Rap und zu weiteren europäischen Städten geschaut, um die musikalische und politische Landschaft sichtbar zu machen. Mit gut recherchierten und aufbereiteten Inhalten arbeiten sie die Reibungspunkte und Schnittstellen zwischen Rap und Politik heraus und stellen sich sowie ihren Gästen kritische Fragen. Seit April 2020 ist das Machiavelli-Podcastcrew um Salwa Houmsi erweitert, die alle zwei Wochen mit Jan über gegenwärtige Geschehnisse aus Rap und Gesellschaft informiert.
Dattel & Chill
Wer die Datteltäter*innen nicht von Youtube kennt, hat was verpasst. Dort spielen sie auf satirische Weise mit Vorurteilen von sowie gegenüber Muslim*innen und behandeln zum Beispiel in den Formaten Wahrheit oder Vorurteil, Sag mir…, ob ich deutsch/konvertiert/geflüchtet/radikal…bin, stereotype Vorstellungen. In ihrem Podcast Dattel & Chill schallen eher ruhigere Töne: Sie beschäftigen sich mit Themen der muslimischen Community, setzen sich hierbei mit dem Rollenvorstellungen und Perspektiven muslimischer Frauen auseinander, diskutieren die (Nach-) Frage von Vorbildern oder reflektieren im Fastenmonat Ramadan ihre Gedanken und Erlebnisse.
Dauernörgler
Die selbsternannten Dauernörgler, bestehend aus Eren Güvercin, Engin Karahan und Murat Kayman, sprechen über das muslimische Leben in Deutschland und diskutieren differenziert aktuelle Themen und Ereignisse wie den Terroranschlag in Hanau oder das auf dem privaten Fernsehsender ProSieben laufende Video „Männerwelten“. Die Podcaster reflektieren ihre Sozialisation in der muslimischen Gemeinde und den Einstieg in neue Diskurse durch das Eintreten ins akademische Umfeld. Fragen der Identitäten und der Erinnerung sind wiederholte Gegenstände der drei mit türkischer Migrationsgeschichte und aus dem Journalismus, Beratungs- und Rechtsbereich stammenden Podcaster. Sie setzen sich beispielsweise für ein verfeinertes Diskutieren hinsichtlich Erinnerungskultur ein, indem sie sich mehr Plattform für junge Juden und Jüdinnen in Deutschland und in der Türkei wünschen.
diaspor.asia Podcast
In diesem Podcast wird asiatische Diaspora in Deutschland behandelt und in kritischen Reflexionen Zusammenhänge zwischen Erfahrung und gesellschaftspolitischen Dynamiken herausgearbeitet. Xinan und Cuso besprechen karikative Darstellungen von Asiat*innen und was Stereotypisierungen, Bilder von asiatisch markierter Männlichkeit oder Exotisierung und Fetischisierung von asiatisch gelesenen Frauen, für Effekte haben. Wie sich Rassismus über den Alltag hinaus ausdrückt, verdeutlichen sie immer wieder durch vielfältige Verweise auf das postmigrantische Leben in Deutschland und durch postkoloniale Kontextualisierung. Für die Podcaster*innen stellt der gebräuchliche Identitätsbegriff eine starre Konstruktion dar, die den fließenden Selbstbezeichnungen und beweglichen Identifikationen nicht entspricht. Sie sprechen über persönliche Aushandlungen von asiatischen, queeren Identitäten und diskutieren Problematiken und Wirkungen von Kategorisierungen. Neben Problematiken der Festschreibung, verhandeln sie im Gespräch, wie über diese auch politische Potentiale für kollektive Erfahrungen zu Solidarität geschaffen werden können. Warum Aktivismus für Sichtbarmachung wichtig sind, welche Strategien bei Empowerment und Self Care helfen können und was für Konflikte in der links-aktivistischen Szene bestehen, diskutieren die beiden oftmals mit Gästen in sehr intensiven Gesprächen. Lesenswert ist das Interview auf: https://www.rosalux.de/news/id/40065/gehoert-werden/
DonnaSori Podcast
Thea Suh beschreibt sich als „Nordlicht mit koreanischen Wurzeln“ und greift als studierte Musikethnologin mit Fokus Ostasien gerne popkulturelle, alltagsweltliche Themen rund um Südkorea auf. Außerdem spricht sie über Rassismus gegenüber Asiat*innen im Zusammenhang mit Corona. Parallel hatte sie den politischen German Panda Podcast, den sie nun mit diesem Podcast zusammengelegt hat. Dort ging es auch um die Situation von BIPoC, um rassistische Anschläge in Deutschland sowie Selfcare im Aktivismus.
Feuer & Brot
Synchronsprecherin und Schauspielerin Maximiliane Häcke und Journalistin Alice Hasters kennen sich aus Kindertagen und sind beste Freundinnen. Wie sie zusammen gewachsen sind, was sie in ihrer Jugend beeinflusst hat, fließt in ihre popkulturellen Analysen zu beispielsweise Film und Musik ein, wo sie problematische Figuren und Stereotypisierungen aufzeigen. Maxi und Alice nehmen gesellschaftliche Konstruktionen in den Blick, diskutieren feministische Perspektiven und thematisieren reproduzierte Rassismen zwischen Popkultur und Politik, indem sie ‘Mainstream’-Denkweisen behandeln. Die Folgen strotzen vor vielen Verweisen und sind mit Sprachsequenzen aufgelockert. Die Zuhörer*innen können die beiden ein wenig auf ihrem freundschaftlichen Werdegang begleiten, die eigene Position bzw. Perspektive durch die offene Kommunikation der beiden zur eigenen Sensibilisierung mitreflektieren und vor allem aus dem Input einiges lernen. In diesem Jahr kam das Buch “Was weiße Menschen nicht hören wollen, aber wissen sollten” heraus, welches Alice geschrieben hat.
Gedankensalat
„Ich habe auch was zu sagen“, antwortete Delal im Made in Germany Podcast auf die Frage nach ihrer Motivation, einen eigenen Podcast zu starten. Sie fühlte sich als Hijabi nicht repräsentiert, auch nicht in der Podcast Landschaft, der sie schon lange folgt. Das inspirierte sie dazu, selbst einen Podcast mit ihrer Freundin Erva zu starten. Delal und Erva schildern ihre Diskriminierungserfahrungen aus dem Alltag und Erlebnisse aus der Schulzeit und der Arbeit, die sie als kopftuchtragende Frauen immer wieder stigmatisieren. Nicht nur zum anti-muslimischen Rassismus haben die beiden 21-jährigen Folgen aufgenommen, sondern auch zu Fluchtgeschichten und dem Werdegang im Bildungssystem. Was die Podcasterinnen noch bewegt, sind Fragen rundum Halal Dating, Sexualität, Beziehungen und junge Ehe, vegane Ernährung und ihre Liebe zum Reisen. Was es bedeutet, als sichtbare Muslima oder als homosexueller Muslim in Deutschland zu leben, zeigen die beschriebenen Reaktionen, und regen darüber hinaus in der Zuhörer*innenschaft zum Austausch an. Sie möchten ein Gefühl der Gemeinsamkeit innerhalb einer postmigrantischen Gesellschaft schaffen und laden dazu ein, Vorurteile abzubauen.
Halbe Katoffl
Der Halbe Katoffl Podcast ist ein deutschsprachige Vorreiter unter den PoC Podcasts und wird häufig von anderen Podcasts of Color als Inspiration gewürdigt. Der Journalist Frank Joung bezeichnet sich selbst als “Halbe Katoffl” und interessiert sich für Menschen mit Migrationsgeschichte, ihre Biografien und spannende Wendepunkte in ihren Leben. In der “Gesprächsreihe mit Deutschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben”, wird über Rassismus-Erfahrungen gesprochen, über das Leben mit verschiedenen Kulturen erzählt und zu Beginn immer im “Klischeé-Check” mit Vorurteilen und Stereotypisierungen gebrochen. Es sind weniger politische Meinungen präsent, weil keine Diskussionen über spezifische Themen im Vordergrund stehen sollen, sondern der Mensch und seine Geschichte mit Höhen und Tiefen. Unter anderem werden Sportler*innen eingeladen, die Einblicke in ihre Laufbahnen, Motivationen, ihre Arbeit und die Begegnungen innerhalb ihrer Sportbereiche geben.
Heimatmysterium
Bei dem Titel handelt es sich um eine Begriffsanlehnung an das Bundesministerium des Innern, für Bau – und seit 2018 für ‘Heimat’. Heimat – ein deutschsprachiges Wort mit spezieller Geschichte, das aufgrund seiner Verfassung kaum in andere Sprachen zu übersetzen ist. Es zeigt eine Verbindung zu etwas, das in subjektiver Verknüpfung definiert wird. Zur Bedeutung des Wortes ist oft die Frage um Identität involviert. Die Podcasterinnen Helena Kaufmann und Melis Yesilkaya wollen verstehen, was für sie Heimat heißt und gehen mit ihren Gästen den Spuren der familiären Geschichte nach und erzählen in Storytelling Abschnitten, was sie erleben und reflektieren, was es mit ihnen aus migrantischer Perspektive macht.
Kanakische Welle
Die Journalisten Marcel Nadim Aburakia und Malcolm Ohanwe bringen komplexe Verbindungen und eine große Portion Flavour in ihrem Podcast zusammen. Diesen Spagat versuchen sie zu meistern, indem sie eigene (Identitäts-)Kämpfe, Andersbehandlung wegen Herkunft, Aussehen oder des Namens und gesellschaftspolitische Themen verknüpfen. Gerade die Verschränkung von Mehrfachdiskriminierung wollen sie im Gespräch mit Betroffenen sichtbar machen, diskutieren über verzerrte Männlichkeitsbilder und interviewen zu (Re-)Präsentation von Black and Indigenous People of Color in der Popkultur. Weiße Menschen können lernen, was ihre ‚Orientalisierung‘ und ‚Exotisierung‘ (beide Begriffe mit Anführungszeichen, da grundproblematisch) von migrantischen, nicht-weißen Menschen verursacht, welche Privilegien sie genießen und warum ‚weiße Tränen‘ sowohl beim Reisen als auch beim (deutschen) Klima-Aktivismus schwierig sind, ja, ausschließend sind und Verantwortung verschieben.
Interviews sind hier zu finden:
https://www.munichmag.de/podcast-kanackische-welle/ https://www.jetzt.de/kultur/diese-podcasts-geben-people-of-color-in-deutschland-eine-stimme
Made in Germany PODCAST
Was bedeutet für dich “Made in Germany?” Diese Frage wird den Gästen am Ende jeder Folge gestellt. Meist werden Menschen mit Migrationshintergrund, wie mensch auf bürokratischen Deutsch sagt, mehr als eine Stunde interviewt. Darunter befinden sich ein paar bekannte Gesichter aus Entertainment, Journalismus, Politik, Musik – aber auch Menschen mit interessanten Geschichten außerhalb des öffentlichen Lebens stellen sich in dem Podcast vor. Seit Frühjahr 2019 wurden bereits 48 Folgen produziert und in dem Gespräch mit Kanak_iz_da verrät der Gastgeber selbst, was für ihn “Made in Germany” heißt. Die Interviews sind nicht nur was für die Ohren, sondern auch auf Youtube zu sehen.
Frisch dabei in der Podcast-Szene ist Mai und greift aus non-binärer Perspektive mit thailändischem Hintergrund verschiedenste Themen auf. Wie sich der Podcast weiter entwickeln wird, erzählt Mai im “Bin ich süßsauer?”-Podcast, wird sich zeigen, Popkulturelles oder Wissenschaft könnten Thema werden. Dort führen sie auch ein spannendes Gespräch über Polygamie. In den ersten beiden Folgen geht es um Rassismus in Liebesbeziehungen aus Perspektive weiblich gelesener, asiatisch markierter, in Deutschland lebender Personen of Color.
Matatu
Matatu ist ein deutschsprachiger Afro-Podcast, der von Caro, Jackline und Paul seit Ende 2018 moderiert wird. Matatus sind Sammeltaxis, die in der ostafrikanischen Region wichtige Transportmittel des öffentlichen Nahverkehrs darstellen und so verschieden aussehen, wie die afro-diasporische Community und die Biografie der drei Podcaster*innen (“Tatu” bedeutet auf Swahili Drei), erzählt Paul in der ersten Folge. Die Drei verbindet, dass ihre Familien aus dem ostafrikanischen Raum kommen oder dort leben, die Podcaster*innen selbst dort zeitweise gelebt und sich an ihrem Wohnort Berlin kennengelernt haben. Sie wollten eine Lücke in Podcasts füllen, indem sie über Afrokultur, afro-diasporisches Leben auf zwei Kontinenten sprechen und gesellschaftliche Themen angehen. Aus persönlichen, biografischen Erlebnissen heraus tauschen sie sich über Afroshops, Mehrsprachigkeit, Reisen, Aufwachsen in Deutschland und über Schwarze Geschichte in Deutschland, Colourism und Rassismus mit vielen Leseempfehlungen aus, und setzten sich kritisch mit “Entwicklungszusammenarbeit” auseinander.
Parallel dazu
Bevor der Podcast Parallel dazu 2019 gestartet ist, fanden unter einer Freundesgruppe aus Hamburg laufend Gespräche zu gesellschaftlichen Verhältnissen, politischen Bedingungen und den eigenen Erfahrungen als BIPoC in Deutschland statt. Warum also nicht den Austausch in einen Podcast teilen und für Schwarze, Indigene Menschen und People of Color in einer weißen Mehrheitsgesellschaft Verbundenheit schaffen? “Parallel zum Mainstream”, sagen sie, denn sie wollen sich hörbar machen. Außerdem ist der Podcast-Titel ein Wortspiel mit dem problematischen Begriff der ‘Parallelgesellschaft’, der migrantischen Communities Abschottung unterstellt und ‘Integrationsverweigerung’ vorwirft. Ihre Diskussionen zu Alltagsrassismus, Safer Spaces, Aufwachsen mit Mehrsprachigkeit und das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten sind “Momentaufnahmen” der Entwicklungen und Haltungen zu Themen, die sie aus individueller Perspektive schildern und gemeinsam diskutieren. Akademische Begriffe werden erklärt und Selbstbezeichnungen kontext- und personenabhängig beschrieben, weil die Rassismuserfahrungen unterschiedlich sind.
Instagram / RampeReicht! – Ein zweiwöchiger Pocast über Behinderungen, gesellschaftliche und
Community-interne Ausschlüsse und Roboterpopo’s.
In der ersten Staffel sprechen SchwarzRund und simo tier über Wohnmarkt, Freund_innenschaften,
wichtige Begriffe und Un_Sichtbarkeiten in den Behindertenbewegungen.
Realitäter*innen
Der Podcast der Realitäter*innen sensibilisiert für verschiedene Lebensrealitäten und macht Perspektiven sichtbarer, die in der pluralistischen Gesellschaft strukturell ungleich behandelt werden. Unter den Stichworten “inklusiv. intensiv” lädt das bekannte DJ Duo Hoe_mies (Gizem Adiyaman & Lúcia Luciano) spannende Gäste ein, mit denen sie aus queerer, feministischer und intersektionaler Sicht of Color unter Berücksichtigung der eigenen Privilegien unter anderem über Multidating und Beziehungskonzepte, selbstbestimmte Sexarbeit, Feminismus, Männlichkeit, Body Positivity und Schönheitsideale, Obdachlosigkeit während Corona und die Medienlandschaft sprechen. All die behandelten Themen pulsieren auf den Partys, deren empowernde Vibes und Gespräche über aktuelle gesellschaftliche Geschehnisse die beiden in den Podcast mitgenommen haben.
Vanessa Vu sagte in der Folge zu vietdeutscher Comedy, dass ihr eine Echokammer fehlte. Damit ist gemeint, dass sie in ihren jüngeren Jahren niemanden zum Spiegeln mit ähnlicher Erfahrung hatte, wie andere sich vielleicht in bestehenden Communities verbunden fühlen, sich mit den Lebensgeschichten der Mitmenschen identifizieren und dabei ein Selbstverständnis entwickeln können. Gemeinsam mit Minh Thu Tran und Linh Tran, die später in die Produktion beigetreten ist, hat sie mit dem Podcast Rice and Shine eine solche Echokammer für die vietdeutsche Community im deutschsprachigen Raum gestaltet. Minh Thu und Vanessa verbinden persönliche Erlebnisse mit gesellschaftlichen Themen oder laden dazu Gäste ein, deren Erfahrungen sich um Anti-Asiatischen Rassismus, Klassismus und Sexismus drehen. Die Journalistinnen nehmen Popkulturelles unter die Lupe und setzen sich mit transgenerationalen Themen auseinander, wie in der Folge zu ‚Boat People‘, die über das offene Meer aus Vietnam flohen.
TAZ Weißabgleich
Die Podcaster*innen von Weißabgleich sind beruflich mit der TAZ verbunden und erkennen den Bedarf, für und von People of Color einen Raum für Austausch zu schaffen. Sie stellen sich unter anderem die Frage, für wen der Verfassungsschutz gilt, diskutieren über politische Diskurse und sprechen über gesellschaftliche Ungleichheiten, die auch ihre persönlichen Geschichten betreffen. Wie funktioniert Empowerment und was können Eltern von Kindern of Color tun? Welche (strategische) Bedeutung haben Humor und Wut, um mit Rassismus umzugehen? Die Gespräche sind begleitet von dem Thema, wie weiß sich die Podcaster*innen fühlen und verhandeln dabei sprachliche Kategorien.
Tupodcast
“Happyland ist kein schönes Land”, sagt Tupoka Ogette im Interview Podcast Hotel Matze. >Happyland< bezeichnet sie als den Zustand, in dem sich weiße Menschen vor der Beschäftigung mit Rassismus befinden. In ihrem Buch exit RACISM prägt Tupoka diesen Begriff, um weiße Menschen bei der Sensibilisierung einer rassismuskritischen Perspektive zu helfen und fordert damit auf, den unbeschwerten Ort, in dem Ungleichheiten ignoriert werden, zu verlassen (April 2020 als Hörbuch erschienen). Im letzten Jahr hat sie den Podcast Tupodcast gestartet und trifft sich für empowernde Gespräche mit Schwarzen Frauen. Es geht unter anderem um ihre individuellen und gemeinsamen Strategien des Widerstandes, ihre Wege zur Politisierung und über das, was sie tun und was sie bewegt.
Ein Gastbeitrag von Sarah Mohsenyan.